<b>Der historische Hintergrund</b>
<p>An einem Tag im Herbst, wenn Nebelfetzen wie Gespenster durch die Fichtenwälder ziehen, lässt sich hier am Ochsenkopf ein wenig von dem erahnen, was für die Soldaten beider Seiten das Unheimliche der Waldkämpfe ausmachte und zu den Mythen und Legenden des Hürtgenwaldes beitrug. Selbst der US-Militärhistoriker Charles MacDonald schrieb später in der offiziellen Geschichtsschreibung vom „schwarzgrünen Ozean“, in dem sich die G.l.s vorkamen wie Hänsel und Gretel, die ihren Weg verloren hatten. Hemingway, als Kriegsreporter vor Ort, nannte die Eifel die „Wälder, in denen die Drachen hausen“. Das alles erinnert an altdeutsche Märchen und Mythen, an das Nibelungenlied und den Mythos vom Deutschen Wald, der in der Hermannschlacht mithalf, die römischen Legionen zu vertreiben.</p>
<p>In Nachkriegsreportagen wurde der Hürtgenwald zum „Wald, der soviel Menschenblut getrunken hat“ (Radioreporter Hasso Wolf in einer WDR-Reportage) und somit wurde die romantische Legende vom Wald als Wesen, das Gutes und Böses vermag, in dem Feen und Hexen hausen, weiter tradiert und trifft auch heute noch den Nerv vieler Menschen. Wer kennt nicht das Gefühl von Angst im dunklen Wald, kennt nicht die Mord- und Räubergeschichten aus den Märchen seiner Kindheit? Im Hürtgenwald aber wurde die uralte Angst tatsächlich zum Alptraum, denn jeder Schritt auf einen toten Ast, jedes Knacken, konnte einen unsichtbaren Feind alarmieren, der hinter jedem Baum lauern konnte, und selbst am helllichten Tag war es in den Forsten, die damals noch viel dichter waren als heute, so dunkel, dass ganze US-Kompanien die Orientierung verloren und scheinbar auf immer in den Wäldern verschwanden. Tatsächlich aber waren sie von den Deutschen gefangen genommen worden.</p>
<p>Jeder Soldat lernt in der Grundausbildung, sich bei einem plötzlichen Artillerieüberfall flach auf den Boden zu legen, um möglichst geschützt zu sein. Hier aber wurde dieses Verhalten zur tödlichen Falle, denn viele Granaten explodierten in den Baumwipfeln, Eisenstücke und scharfe Holzsplitter schossen nach unten, rissen Arme und Köpfe ab, verstümmelten und töteten die unerfahrenen Soldaten. Erst langsam lernten die G.l.s, dass nur tiefe Erdlöcher, die mit Baumstämmen abgedeckt waren, einigermaßen Schutz boten.</p>
<p>Die gewohnte Unterstützung, die den schnellen Vormarsch durch Frankreich und Belgien erst ermöglicht hatte, blieb jedoch oft aus. Panzer konnten über die unwegsamen Waldwege und Feuerschneisen nur mühsam nachgeführt werden und die so gefürchteten amerikanischen Jagdbomber mussten immer öfter aufgrund tief hängender Wolken tatenlos bleiben.</p>
<p>Nachdem General Joe Collins, Kommandeur des VII. US-Korps, im September 1944 beschlossen hatte, den Hürtgenwald als Flankenschutz für seinen kommenden Vorstoß auf Köln zu besetzen, hatten Teile der 9. US-Division bereits Ende des Monats mit Jägerhaus den höchsten Punkt des Hürtgenwaldes eingenommen. Mittlerweile war es aber den Deutschen gelungen, mit versprengten Kräften die dortige Westwalllinie zu besetzen. Nachdem die 275. Infanterie-Division anfangs aus kaum mehr als 800 (!) Soldaten bestand, konnte General Schmidt bereits Anfang Oktober einen Verband aus über 7.000 Mann befehligen – die Front hatte sich stabilisiert. Während der Nachschub der 1. US-Armee weiter krankte, denn die Scheldemündung war noch immer in deutscher Hand und der größte Hafen auf dem westlichen Kontinent, Antwerpen, somit unbrauchbar, standen die Deutschen nun mit dem Rücken zur Heimat und nah an den Nachschubbasen und der Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet. Außerdem nutzte die NS-Propaganda jede Möglichkeit, den Soldaten klar zu machen, dass sie nun unter den Augen der Heimat kämpften. Tagesbefehle drohten bei Fahnenflucht mit Verhängung der Sippenhaft. Und vor allem ging es jetzt dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels darum, jedem „Volksgenossen“ klar zu machen, dass zwischen einer amerikanischen oder einer sowjetischen Besetzung Deutschlands keinerlei Unterschiede bestünden. Die Rede vom 3. Oktober 1944 in der „Glanzstoff“, einem Kölner Rüstungsbetrieb, quoll über vor Endzeitrhetorik. „Eher würden wir uns die Hände blutig arbeiten, und würden wir bis zum letzten Atemzug kämpfen, eh’ dass wir zuließen, dass der Feind das deutsche Land besetzte und uns seinen Willen aufzwänge!“ schrie Goebbels unter dem Jubel der Zuhörer. Und in einem Beitrag der Deutschen Wochenschau hieß es, dass in dem an Luxemburg grenzenden Wallendorf die „ewig Kaugummi wiederkäuenden Befreier Europas“ bewiesen hätten, dass sie „vom gleichen Schlage wie Stalins Steppenhorden“ wären.</p>
<p>Auch die „Heimatfront“ wurde nun mobilisiert und militarisiert: im Gau Köln-Aachen wurden ca. 50.000 Männer, Frauen und Hitlerjungen zum Schanzen an die Westgrenze abkommandiert, auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wurden dazu eingesetzt. Parallel dazu kam es in der Region durch Räumkommandos der NSDAP zur Evakuierung von etwa 250.000 Zivilisten, in vielen Fällen unter Androhung von Waffengewalt. Vor allem die Schanzeinsätze blieben nicht folgenlos, so wurden allein bei Nörvenich bei einem Tieffliegerangriff 40 Hitlerjungen getötet.</p>
<p>Während die G.l.s sich an die Tücken des Waldkampfes erst gewöhnen mussten, waren immer mehr Wehrmachtsoldaten mit Ostfront-Erfahrung in den Hürtgenwald gekommen. Und gerade im Bereich Ochsenkopf und Peterberg hatten die Deutschen einen weiteren Vorteil: bei Feuerüberfällen konnten sie sich in die schützenden Bunker des Westwalls zurückziehen.</p>
<p>Eine der entscheidenden Fragen bis heute ist, welche Rolle der Westwall im Herbst 1944 wirklich spielte. Tatsache ist, dass die in den 1930er-Jahren gebauten Bunker für die sich rasant weiter entwickelte Waffentechnik nicht mehr brauchbar waren, so dass zum Beispiel das MG 42 aufgrund der Gasführung nicht in die für die Vorgängermodelle konstruierten Scharten passte. Ähnlich war es bei den Panzerabwehrgeschützen, deren Kaliber im Laufe der Jahre immer größer geworden waren. Nun aber lagen die Westwallbunker im Bereich der Nordeifel in der Regel in den dichten Wäldern – die Fichten wurden somit zu Panzersperren und die Bunker dienten als Unterstände, die in einem kleinen Radius verteidigt werden konnten, während die eigentliche Frontlinie weiter vorne verlief. Jede deutsche Kompanie, jedes Regiment konnte sich so in den unübersichtlichen Wäldern an eine Mauer aus Beton anlehnen. Was folgte war ein monatelanger Stellungskrieg, der an die Kriegsführung des Ersten Weltkriegs erinnerte. Erst nach dem Zusammenbruch der deutschen Gegenoffensive in den Ardennen gelang es der 1. US-Armee im Februar 1945 das Kalltal und die zweite Bunkerlinie im Hürtgenwald zu überwinden.</p>