<b>Der historische Hintergrund </b>
<p>Von Achim Konejung, Konejung Stiftung: Kultur</p>
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<p>Nach dem Zusammenbruch zweier deutscher Armeen im Kessel von Falaise zog sich die Wehrmacht im August 1944 fluchtartig aus Frankreich zurück. Zur gleichen Zeit wurde im Osten bei der sowjetischen Operation Bagration die Heeresgruppe Mitte zerschlagen und die Rote Armee stürmte in nur wenigen Wochen bis vor die Tore Ostpreußens. Die Verluste der Wehrmacht im Juli und August lagen bei über einer Million toter, verwundeter oder vermisster Soldaten. Militärisch schien das „Dritte Reich“ am Ende, auch wenn der Ausstoß der Rüstungsindustrie im Sommer 1944 Rekordwerte erreichte: möglich geworden war dies größtenteils durch die Ausbeutung von Millionen von Zwangsarbeitern. Der zunehmende Rohstoffmangel und die Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur führten jedoch ab dem Herbst zu einem rasanten Abfall der Produktion, der Wehrmacht fehlte es bald an Treibstoff, Munition und neuen Waffen.</p>
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<p>In dieser Situation war die Machtelite des „Dritten Reiches“ bereit, Deutschland mit in den Untergang zu reißen, um ihr Ende hinaus zu zögern - eine politische oder militärische Lösung zugunsten des NS-Staates war zu diesem Zeitpunkt illusorisch. Das Regime fachte in diesen Monaten nicht nur die Mordmaschine des Holocaust ein letztes Mal an, auch die Mehrzahl der deutschen Weltkriegstoten, neben 2.7 Millionen toten Wehrmachtssoldaten auch Hunderttausende Zivilisten, fanden <i>nach</i> dem 20. Juli 1944, dem Tag des gescheiterten Attentats auf Hitler, den Tod. Auch der Bombenkrieg erreichte seinen Höhepunkt, während der Repressionsapparat der Nazis im Hinterland der Westfront seinen Terror auch gegen die eigene Bevölkerung steigerte, um das Durchhalten auch Zweifelnder zu erzwingen.</p>
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<p>Hitler suchte nun die alles entscheidende „Wende“ im Westen: Am 16. September 1944 gab er dem Chef des Wehrmachtsführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht, Generaloberst Jodl, den Befehl zur Ausarbeitung einer Gegenoffensive in den Ardennen. Damit konzentrierten sich die Planungen für die Westfront ab Mitte September auf die Vorbereitung der Operation „Wacht am Rhein“, die so geheim waren, dass bis Ende Oktober noch nicht einmal der OB West, Generalfeldmarschall Rundstedt, und der Kommandeur der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall Model, davon in Kenntnis gesetzt wurden. Während in vorderster Front abgekämpfte und spontan zusammen gestellte Einheiten einem zahlenmäßig überlegenen Feind gegenüber standen, bildete man im Hinterland um die Stäbe der in der Normandie zerschlagenen Einheiten neue Volksgrenadier- und Panzerdivisionen für die Ardennenoffensive. Weitere Divisionen wurden von anderen Kriegsschauplätzen herangezogen, auch unter Vernachlässigung der Ostfront.</p>
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<p>Bereits im September 1944 hatten Einheiten des VII. US Corps, im Rahmen der Ersten US-Armee, südlich von Aachen die erste und zweite Westwall-Linie durchbrochen. Erst bei Schevenhütte waren sie am 17. September durch frisch eingetroffene deutsche Truppen gestoppt worden. Am gleichen Tag startete mit „Market Garden“ die vorerst letzte offensive Operation der Alliierten. Nachdem der Vorstoß über Eindhoven und Nimwegen zum Ijsselmeer mit dem Ziel, die deutschen Wehrmachtsverbände in den Niederlanden und an der Scheldemündung einzukesseln, vor Arnheim gestoppt worden war, gingen Eisenhowers Armeen zur Konsolidierung und Umgruppierung über. Vor einem weiteren Vorstoß lagen unerledigte Aufgaben, neben der Lösung der Nachschubfrage waren am dringlichsten die Öffnung der Schelde-Mündung, sowie die Einnahme von Metz und Aachen. In Vorbereitung der kommenden Rheinoffensive beschloss der Kommandeur des VII. US Korps, General Collins, mit der 9. US-Infanteriedivision aus dem Raum der Roten Wehe über die Höhenstrasse (heutige B 399) im Bereich Vossenack-Germeter und von dort weiter Richtung Schmidt anzugreifen, um einen rechten Korridor („Monschau-Korridor“, der Schwerpunkt der ersten US-Armee lag nördlich des Hürtgenwaldes im so genannten „Stolberg-Korridor“) als Schutz vor Flankenangriffen einzurichten – die Talsperren der Rur spielten bei diesem Angriff noch keine Rolle.</p>
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<p>Die 9. US-Infanteriedivision - seit 1942 in Kampfeinsatz in Nordafrika, später auf Sizilien und in der Normandie - sollte als erste US-Einheit das Grauen der Waldkämpfe kennenlernen (Siehe Karte „First Attack On Schmidt“). Am 6. Oktober 1944 griffen zwei Regimenter an, das 39. im Norden Richtung Wittscheidt und das 60. zwischen Richelskaul und Todtenbruch in Richtung der Bunkerkette an der Kreuzung Raffelsbrand (Siehe auch „Ochsenkopf-Weg“). Das 47. US-Regiment hielt weiter die Stellung in Schevenhütte. Während ein Bataillon des 60. US-Regiments fast eine Woche von einem deutschen Vorposten im Bereich der heutigen Siedlung Raffelsbrand aufgehalten wurde, kam es zu schweren Kämpfen zwischen G.I.s des 39. Infanterieregiments der 9. US-Infanteriedivision und Soldaten der deutschen 275. Infanteriedivision um die Bunker im Tal der Weißen Wehe. Schließlich mussten sich die Landser auf die Verteidigungsstellung im Raum Germeter zurückziehen. Reserven auf deutscher Seite waren so knapp, dass am 9. Oktober sogar zwei Kompanien älterer Polizisten aus Düren in die Schlacht geworfen wurden (siehe dazu: Charles MacDonald: The Siegfried Line Campaign). Während das 3. Bataillon des 39. US-Infanterieregiments am Morgen des 12. Oktobers im Begriff war, die Ortschaft Vossenack einzunehmen, wurde das Regiment überraschend von Norden her in seiner linken Flanke angegriffen: Auf Befehl der deutschen 7. Armee war das Regiment Wegelein, aus anderer Verwendung kommend, in den Hürtgenwald verlegt worden und hatte die US-Stellungen im Bereich der Katzenhardt und der Alten Zweifaller Straße angegriffen. Somit musste das 3. Bataillon im Raum Vossenack den Angriff einstellen, um im Gegenangriff die Flankenbedrohung zu stoppen.</p>
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<p>Aber auch das Regiment Wegelein wurde, wie fast alle Angreifer, zum Opfer der unübersichtlichen Kampfführung im Hürtgenwald. Bereits am ersten Tag hatte die Einheit 500 Opfer zu beklagen. Da am darauf folgenden Tag auf Befehl des LXXIV. Korps alle Offiziersanwärter abgezogen wurden, besaß die Kampfgruppe de facto keine Schlagkraft mehr, Oberst Wegelein selber wurde am darauf folgenden Tag tödlich verwundet.</p>
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<p>Als man am 16. Oktober 1944 den „First Attack On Schmidt“ (so die Bezeichnung der offiziellen US- Militärgeschichte) abbrach, hatte die 9. US-Division in elf Tagen gerade einmal einen Geländegewinn von etwa 3500 Metern erzielt. Dafür hatte sie einen hohen Preis gezahlt: Der Divisionsarzt verzeichnete in seinem Jahresreport für Oktober 1944 insgesamt 384 Tote, 2510 Verwundete, 1877 Erkrankte, 600 anders Verletzte und 323 Fälle von Entkräftung, insgesamt 5694 Verluste. Der US Historiker Charles MacDonald schätzt die deutschen Verluste in diesem Zeitraum auf ca. 1500-2000 Mann und weitere 1300 Vermisste bzw. Gefangene.</p>
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<p>Die 9. US-Infanteriedivision wurde, nach Ablösung durch die 28. US-Infanteriedivision des V. US-Korps, abgezogen. Diese sollte den Angriff auf Schmidt zur Vorbereitung der „Operation Queen“, dem alliierten Vorstoß zum Rhein mit dem Ziel, einen Brückenkopf südlich von Köln zu errichten, am 2. November 1944 wiederholen. Die „ Battle for Schmidt“ erwies sich als größtes Debakel einer US Division auf dem europäischen Kriegsschauplatz und wird als „Allerseelenschlacht“ auf deutscher Seite oft mit den Kämpfen bzw. der „Schlacht im Hürtgenwald“ gleichgesetzt (Siehe hierzu „Kall Trail“). Die größten Kampfhandlungen im Hürtgenwald entspannten sich jedoch erst ab dem 16. November 1944 unter Beteiligung der 1., 4. und 8. US-Infanteriedivision im Verbund mit dem 2. US-Ranger Bataillon und einer Kampfgruppe der 5. US-Panzerdivision als Flankenangriff im Rahmen der „Operation Queen“, während der Hauptvorstoß der Ersten US-Armee beim VII. US-Korps im Stolberg-Korridor und bei der 9. US-Armee in der Rur-Ebene lag.</p>
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<p>Aus einem Nebenkriegsschauplatz hatte sich innerhalb von wenigen Monaten eine Abnutzungsschlacht entwickelt, die beiden Seiten hohe Opfer abverlangte. Während aber die Zahl der US-Divisionen Monat um Monat zunahm, konnte die Wehrmacht ihre Verluste kaum mehr kompensieren. Die Folgen zeigten sich bereits wenig später bei Beginn der Ardennen-Offensive, als der Durchbruch auf breiter Front im Nordabschnitt bei der 6. Panzerarmee nach kurzer Zeit scheiterte.</p>